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Das entschlossene Handeln hat das Vertrauen in die Schweiz gestärkt

Die Schweizer Bundesrätin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter blickt auf den Niedergang der Credit Suisse zurück und ist überzeugt, dass die Schweiz weiterhin zu den führenden Finanzplätzen der Welt zählen wird.

Frau Keller-Sutter, Sie haben Ihr Amt als Finanzministerin in einer schwierigen Zeit übernommen. Unter Ihrer Federführung musste der Bund eine Staatsgarantie für die UBS abschliessen, um einen ungeordneten Konkurs der Credit Suisse abzuwenden. Wie blicken Sie ein Jahr später auf dieses Ereignis?

Es ging damals in einer sehr schwierigen Lage darum, Schaden von der Volkswirtschaft und von den Steuerzahlenden abzuwenden und die Finanzstabilität national und international zu sichern. Beides ist den Behörden gelungen. Zudem hatten wir mit der UBS eine Schweizer Bank, die bereit war, die Credit Suisse zu übernehmen. Ohne diese Konstellation wäre es deutlich schwieriger und risikoreicher geworden. Es waren sehr hektische und anspruchsvolle Tage.

Wie beurteilen Sie rückblickend den Niedergang der Credit Suisse?

Natürlich hätten wir es lieber gehabt, wenn die Credit Suisse nicht untergegangen wäre. Aber irgendwann rächt sich jahrelanges Missmanagement und falsche Risikoeinschätzung. Man muss da klar und deutlich sein: Schuld am Niedergang der Credit Suisse waren die Verantwortlichen der Bank selber. Immerhin hat der Finanzstandort Schweiz insgesamt die Stabilität und Sicherheit behalten können. Ich stelle fest, dass das entschlossene Handeln der Behörden in dieser schweren Krise international anerkannt wird und das Vertrauen in den Standort gestärkt hat.

Inwiefern sehen Sie Handlungsbedarf in der «Too Big To Fail»-Regelung?

Den gibt es, keine Frage. Der Bundesrat hat am 10. April einen umfassenden Bericht veröffentlicht, um das Too-Big-To-Fail-Regelwerk zu stärken und weiterzuentwickeln und bestehende Lücken im Dispositiv zu schliessen. Es geht darum, die Wahrscheinlichkeit deutlich zu reduzieren, dass erneut eine systemrelevante Bank in der Schweiz in eine schwere Krise gerät und staatliche Notmassnahmen notwendig werden. Im Falle einer Krise soll zudem die Abwicklungsfähigkeit einer systemrelevanten Bank als glaubwürdige Option gesichert sein. Der Bundesrat will die Risiken und Kosten für den Staat, die Volkswirtschaft und die Steuerzahlenden minimieren. Der Bericht schlägt dafür ein umfassendes Massnahmenpaket vor. Zudem sollen bei der Umsetzung die Resultate der Parlamentarischen Untersuchungskommission, die erst später veröffentlicht werden, berücksichtigt werden. Bei wichtigen Massnahmen haben das Parlament oder je nachdem das Volk das letzte Wort. Im Grunde befinden wir uns also erst am Beginn eines neuen Abschnitts der «Too Big To Fail»-Regulierung.

Wie wird sich der Untergang der Credit Suisse mittel- und langfristig auf den Finanzplatz auswirken?

Die Schweiz gehört weiterhin zu den weltweit führenden Finanzplätzen, mit einer global tätigen Grossbank. Die über 200 Banken in der Schweiz decken eine breite Vielfalt an Dienstleistungen für nationale und internationale Kundschaft, für Firmen und Private ab. Die Rahmenbedingungen in der Schweiz sind sehr gut aufgestellt für Finanzdienstleistungen auf höchstem Niveau.

Wie sehen Sie den Finanzplatz Schweiz vor dem Hintergrund von Megatrends wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Regulierung für die Zukunft aufgestellt?

Die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit sind grosse Chancen für den Finanzstandort Schweiz. Mit dem jahrzehntelang aufgebauten Knowhow, hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, stabilen politischen und rechtlichen Verhältnissen und innovationsfreundlichen gesetzlichen Bedingungen verfügt die Schweiz über einen guten Ausgangspunkt. Aber Innovation kommt letztlich nicht vom Staat, sondern von der Wirtschaft. Ich bin in diesem Sinne zuversichtlich für die Schweiz.

Die Schweiz und Liechtenstein sind durch den gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum eng verknüpft. Wie beurteilen Sie das Zusammenspiel mit Blick auf die beiden Finanzplätze?

Die Schweiz und Liechtenstein sind jahrzehntelange enge Partner, die gut zusammenarbeiten. Anderseits sind wir Konkurrenten als Standorte für internationale Finanzdienstleistungen. Beides spornt uns an. Wir freuen uns zudem, wenn Liechtenstein dem Internationalen Währungsfonds IWF beitreten wird und dann an der von der Schweiz geleiteten Stimmrechtsgruppe teilnehmen wird.

Inwieweit sind die beiden Länder in Regulierungsfragen voneinander abhängig oder anders gefragt wie viel Spielraum steht Liechtenstein in einem gemeinsamen Währungsraum zur Verfügung?

Die Haltung der Schweiz ist offen. Wenn Liechtenstein aufgrund der Teilnahme am EWR gewisse Regulierungen anpassen muss, sollten sich Lösungen finden lassen, die im Einklang sind mit den Bedingungen der Währungsunion mit der Schweiz.

Im Gegensatz zur Schweiz haben Finanzdienstleister in Liechtenstein den vollständigen Marktzugang in der EU. Inwieweit sehen Sie dadurch einen Nachteil für den Finanzplatz Schweiz?

Der Zugang zum europäischen Markt ist bestimmt ein Plus, doch heute beeinflussen auch weitere ebenso wichtige Faktoren den Erfolg eines Finanzplatzes auf globaler Ebene. So beispielsweise eine kluge Finanzmarktregulierung wie auch eine solide Haushaltspolitik. Wir müssen ein Gleichgewicht anstreben, welches es der Schweiz erlaubt, im Wettbewerb mit den grossen Finanzplätzen der Welt weiterhin erfolgreich zu sein.