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Europa kann Vorbild sein und Trends setzen

Der ehemalige deutsche Vizekanzler Philipp Rösler spricht am Finance Forum über den Zweikampf zwischen den USA und China. Er plädiert für einen politischen Schulterschluss, damit Europa einen stärkeren Einfluss auf die globale Machtpolitik nehmen kann.

 

Herr Rösler, die Corona-Pandemie hat die Welt in Atem gehalten und die globale Konjunktur stark gebremst. Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement der Staatengemeinschaft?

Die wirtschaftlichen Hilfen der EU waren im Grossen und Ganzen gut, um übermässige Härten durch die Corona-Krise schnell und möglichst unbürokratisch abzufedern. Allerdings habe ich die Sorge, dass einige Unternehmen nicht ausreichend wettbewerbsfähig sind, um gut aus der Krise herauszukommen. Ich befürchte, dass gerade in Bezug auf weltweite Zulieferketten die grossen Herausforderungen erst noch kommen werden.

Welchen Einfluss haben die jüngsten Entwicklungen auf die globalen Machtverhältnisse?

Die aktuelle Krise hat sicher zu einer Verschärfung des Machtkampfes zwischen China und USA beigetragen. Die Wahrnehmung ist, dass das Covid-Virus seinen Weg von China aus über die ganzen Welt genommen hat und China sich dennoch mit am Schnellsten wieder von der Krise erholt hat, um nun umso stärker sein wirtschaftliches Potential auszuspielen. Die USA aber auch Europa hingegen befinden sich noch ganz am Anfang der wirtschaftlichen Erholung. Dieses Ungleichgewicht führt zu einem verstärkten Misstrauen in der Welt und zu einer Verschärfung des Machtkampfes. Die aktuelle Diskussion über die kostenlose Weitergabe von Impfstoffen ist Ausdruck dieses Ringens um Einfluss.

Die Auseinandersetzung zwischen den USA und China wird immer mehr zum Technologiekonflikt. Wie wird sich der Konflikt weiterentwickeln?

Der Konflikt wird zweifellos härter werden und zwar auf allen Ebenen. Weltweiter Einfluss spielt nicht nur bei der kostenlosen Weitergabe von Impfstoffen an ärmere Staaten eine Rolle, sondern konkret bei Handelsbeziehungen zwischen den Regionen, Wettbewerb um Rohstoffe, Verkehrswege oder Infrastruktur. Und besonders bei der Technologiefähigkeit wird es eine Auseinandersetzung geben, die über den fairen Wettbewerb weit hinausgeht. Verbote von einzelnen Technologien oder Technologieanbietern wie Huawei in den USA oder Google in China, sind höchstwahrscheinlich nur der Anfang einer Zuspitzung des Konfliktes zwischen China und der westlichen Welt.

Europa scheint im Zweikampf der Weltmächte förmlich zerrieben zu werden. Teilen Sie diese Ansicht?

Gerade wegen der Gefahr zerrieben zu werden, muss Europa seine Rolle in dieser geopolitischen Lage finden und selbstbewusst ausfüllen. Ein wichtiges Thema ist dabei die eigene Technologiefähigkeit zu erhalten und zu fördern. Bestes Beispiel hierzu ist das Thema Ausbau der 5G-Netze. Mangels europäischen Anbieters kann die EU nur zwischen Cisco und Huawei beim Aufbau der 5G-Netze wählen. Technologische Unabhängigkeit sieht anders aus. Ein zweiter Punkt ist, sich seiner Marktbedeutung bewusst zu werden und diese selbstbewusst auszuspielen. Gerade wurde in Asien die grösste Handelszone der Welt geschaffen – ohne Beteiligung der USA und Europa.

Wie soll sich Europa positionieren?

In Bezug auf Werte gibt es wenig Unterschiede zwischen den USA und Europa. Dennoch muss Europa stets seine eigene Meinung finden und vertreten. Auf dem letzten G7-Gipfel ist dies deutlich geworden: Man teilt die kritische Haltung der USA zu Menschenrechtsfragen in China, aber geht dennoch seinen eigenen Weg, diese zu adressieren und Konsequenzen daraus zu ziehen. In den meisten Fällen wird wahrscheinlich das Ergebnis dasselbe sein, dennoch ist die Eigenständigkeit Europas ein Wert an sich.

Wie wichtig wäre ein Schulterschluss in der Politik, damit Europa einen stärkeren Einfluss auf die globale Machtpolitik nehmen?

Immer wenn Europa geschlossen eine Position vertritt, wird diese Stimme weltweit gehört und geachtet. Als die EU angefangen hat, die Privatsphäre seiner Bürger zu schützen, hatten nur wenige in der Welt die europäische Datenschutzgrundverordnung ernst genommen. Heute ist der Schutz der Privatsphäre fast überall ein Thema und auch die grossen digitalen Player aus den USA halten sich zwischenzeitlich an die europäischen Regeln.

Welche Rolle könnte dabei beispielsweise ein globaler Banken-Player aus Europa spielen?

Eine sehr wichtige! Abgesehen davon, dass eine solide Finanzierung für eine Volkswirtschaft überlebenswichtig ist, ist ein globaler Banken-Player in Europa notwendig, um als starker europäischer Wirtschaftsraum weltweit ernst genommen zu werden.

Wie nehmen Sie den Finanzplatz wahr?

Beim Thema Nachhaltigkeit macht dem europäischen Finanzwesen keine andere Region in der Welt etwas vor. Ein gutes Beispiel ist Impact Investment: Liechtensteins Finanzwirtschaft hat dazu beigetragen, verantwortungsvolles Investieren hoffähig zu machen. Das zeigt: Europa kann Vorbild sein und Trends setzen.