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Die Zukunft der Finanzbranche 2020

Unverändert ist das ungebremste Bedürfnis der Kunden nach Sicherheit und Stabilität sowie der zentrale Stellenwert einer vertrauensvollen und beständigen Beziehung zwischen Kunde und Finanzdienstleister. Es ist wichtig, diese Werte stetig zu verteidigen und ebenso stetig dafür zu kämpfen. Ebenfalls unverändert ist das unstillbare Bedürfnis nationaler und vor allem internationaler Behörden und Organisationen nach stärkerer Regulierung. Regulierung kann ein Heilmittel sein, aber zuweilen auch ein schleichendes Gift für Fortschritt und Wettbewerb. Liechtenstein hat es bisher verstanden, hier das richtige Mass zu finden. Die Aufrechterhaltung der liberalen Wirtschaftsordnung wird jedoch angesichts des fast exponentiellen Wachstums der Fremdbestimmung immer schwieriger. Werden dadurch dann auch noch Grundrechte betroffen – und das passiert leider immer öfter – wird es richtig schwierig.

Regulierungen tendieren dazu, grössere Einheiten zu bevorzugen und regionalen Stärken wie etwa der Nischenpolitik Steine in den Weg zu legen. Stark gefördert wird damit hingegen die Mobilität der Dienstleistungen. Im Verbund mit der Migration in das digitale Zeitalter zählt der Umgang mit der Mobilität von Dienstleistungen wohl zu den grösseren Herausforderungen, die uns in naher Zukunft beschäftigen werden. Die Erbringung von Finanzdienstleistungen ist je länger, je weniger standortgebunden. Hier ist die seit jeher erfolgte internationale Ausrichtung des Finanzplatzes und seiner Dienstleistungen und das dafür ausgebaute Netzwerk ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Ausbildung ist Schlüssel zum Erfolg

Den Schlüssel zum Erfolg sehe ich weniger im Ausbau der Regulierung, als in der Ausbildung. Die Welt wird komplexer, die Anforderungen an das Know-how steigen rasch und stetig. Über kurz oder lang werden etwa Finanzunternehmen das Know-how eines Digital Legal Officers benötigen. Es stimmt zuversichtlich, dass unsere Universität entsprechende Ausbildungsangebote bereits heute zur Verfügung stellt. Im Bereich der Treuhänder besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang auch die hervorragenden Ausbildungsangebote im Internationalen Steuerrecht. Ohne fundierte Kenntnisse über die Grundzüge des Steuerrechts im Herkunftsland der Kunden ist eine Beratung heutzutage kaum mehr denkbar. Die digitale Kompetenz entwickelt sich je länger, je mehr zum entscheidenden Schlüsselfaktor. Hier sind Unternehmen wie Google, Apple, Microsoft oder Amazon stark im Lead und haben sich einen respektablen Vorsprung erarbeitet. Deren «Fühler» in den Finanzdienstleistungsbereich sind längst ausgestreckt, der Umbau ist voll im Gange. Beim Aufbau und der Pflege langfristiger Kundenbeziehungen sind zwar die angestammten Finanzdienstleister nach wie vor im Lead, doch hier machen die genannten Unternehmen stetig Boden gut. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis einer der beiden Protagonisten den anderen im angestammten Bereich überflügeln wird. Da die weltweiten Vermögen immer noch stark vom Wachstum geprägt sind, wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die Auswirkungen dieser Verschiebung monetär für den Einzelnen spürbar sind. Auf diese Zeit gilt es, sich heute schon vorzubereiten.

Disruptives Potenzial vorhanden

Aktuell im Fokus ist der Klimawandel und die Rolle der Finanzbranche bei dessen Bewältigung. Hier vermag die Finanzbranche einen nicht unwesentlichen Beitrag zu leisten, allerdings steht man hier wohl erst am Anfang. Es wird noch eine Weile dauern, bis Kunden und Finanzdienstleister dem Rating hinsichtlich der Einhaltung nachhaltiger Entwicklungsziele (SDG) flächendeckend eine vergleichbare Bedeutung zumessen werden wie der Performance oder sonstigen üblichen Kenngrössen. Nachhaltigkeit – breiter gesehen als nur SDG – schliesst langfristigen Blick und kontinuierliche Innovation ein und steht auf der Agenda des Finanzplatzes Liechtenstein weit vorne. Von daher sollte es gelingen, diese Kurve noch ausreichend rechtzeitig zu erwischen.

Es wird spannend sein, zu beobachten und zu erfahren, wie schnell die erwähnten, sich anbahnenden Veränderungen und Entwicklungen sich realisieren werden. Das disruptive Potenzial ist jedenfalls an vielen Ecken und Enden vorhanden.

Ivo Elkuch
Geschäftsführer der Liechtensteinischen Treuhandkammer