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In 20 Jahren ist die Mehrheit der Vermögensverwalter verschwunden

Der bekannte Ökonom Klaus Wellershoff macht die Politik und die Notenbanken für die hohe Inflation verantwortlich. Er sieht die bestehenden Vermögensverwalter unter grossem Druck, künftig noch stärker auf die Bedürfnisse der Anleger und Investoren einzugehen.

Herr Wellershoff, das diesjährige Finance Forum Liechtenstein widmet sich dem Thema «Die Finanzwelt der Zukunft». Wie sieht in Ihren Augen die Finanzwelt von morgen aus?

Klaus Wellershoff: Die Finanzwelt ist in einem riesigen Umbruch. Banken, Versicherungen, Treuhänder und Vermögensverwalter ähneln immer noch in weiten Teilen eher der öffentlichen Verwaltung als echten Wirtschaftsunternehmen. Da werden Leistungsversprechen an die Kunden der eigenen Struktur und dem eigenen Denken angepasst, anstatt dass man Kundenbedürfnisse wirklich versteht und über differenzierte Leistungsversprechen versucht abzuholen.

Was lässt sich dagegen tun?

Aufhalten lässt sich die Transformation in Richtung einer modernen Dienstleistungsbranche nicht. Das wird die heutige Erbengeneration erzwingen. Am Ende werden wir wenige Plattformanbieter sehen, die einen neuen Markt für Finanzdienstleistungen organisieren, und hochspezialisierte Anbieter von Einzeldienstleistungen. Wenn die aktuellen Strukturen nicht durch die Regulierung unter Denkmalschutz gestellt wären, würde die Transformation des Sektors in Richtung professionelle Dienstleistung allerdings schneller vorankommen.

Der Krieg in der Ukraine hat die Weltwirtschaft ins Stocken gebracht. Wie beurteilen Sie die weitere Wirtschaftsentwicklung?

Die aktuellen weltwirtschaftlichen Probleme haben kaum etwas mit dem russischen Überfall auf die Ukraine zu tun. Schon zum Jahresende 2021 lagen die Inflationsraten in den USA bei 7 und in Europa bei 5 Prozent. Das sind die Spätfolgen der vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Politikmassnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen von Corona. Exzessive Budgetdefizite und skrupellos expansive Geldpolitik haben zur Inflation und damit zu massivem Kaufkraftverlust in der Breite der Bevölkerung geführt.

Was heisst dies konkret?

Jetzt müssen wir uns von der Droge der staatlichen Konjunkturmassnahmen entwöhnen und das ist schmerzhaft, aber unausweichlich. Wenn die Defizite der Staaten zurückgeführt werden, kostet das Wachstum. Genauso werden die zur Inflationsbekämpfung angehobenen Zinsen uns Wachstum kosten. Und schliesslich wird auch die durch die starken Umverteilungsmassnahmen angeregte gewaltige Güterkonjunktur auslaufen. Nimmt man hinzu, dass die Chinesen immer noch mit der Bewältigung von Corona kämpfen, sieht es weiterhin nach einer Weltrezession aus.

Die Inflation ist wieder zurückgekehrt. Wo stehen wir heute?

Bei Inflationswerten, die weit über den Zielwerten der Zentralbanken liegen. Dabei dürfen wir uns durch die zuletzt rückläufige Entwicklung der Energie- und Nahrungsmittelpreise nicht blenden lassen. Wenn man den Rest der Geldentwertung, den wir mit dem Konzept der Kerninflation messen, betrachtet, sieht es wirklich nicht gut aus. Die USA, Grossbritannien und Europa haben Kernraten der Inflation von über 5 Prozent. Die jeweiligen Zielwerte liegen bei zwei Prozent. Kommt hinzu, dass in vielen Ländern die Lohnwachstumsraten sehr deutlich gestiegen sind. Das spricht für eine zunächst hartnäckig höhere Inflationsentwicklung. Ohne eine Rezession wird es für die Zentralbanken kaum möglich sein in nützlicher Frist die Inflation wieder auf ihre Zielwerte zu bringen.

Wie beurteilen Sie die Arbeit der Notenbanken?

Die teils extrem expansive Geldpolitik der vergangenen Jahre hat die Grundlage für die heutige Inflation gelegt. Das ist in krasser Missachtung unseres theoretischen und empirischen Wissens der vergangenen fünfhundert Jahre zum Thema Inflation erfolgt. Nachdem die Zentralbanken in sehr guter Weise die Finanzkrise gemeistert haben, sind sie schlichtweg abgehoben. Auf den Inflationsanstieg haben die Zentralbanken dann mit dem Anheben der Zinsen zu spät und zu zaghaft reagiert. Ich denke, dass unsere Zentralbanken in den letzten Jahren keine gute Figur gemacht haben.

Wie gross ist die Gefahr einer neuerlichen Finanzkrise?

Gross. Die zentrale Frage dafür wird sein, wo sich das neue Realzinsniveau einpendeln wird. Das war nun jahrelang negativ. Unser Wirtschaftssystem kann aber auf Dauer nicht mit negativen Realzinsen funktionieren. Das führt zu Blasenbildung bei den Anlagen und letztlich zu Inflation. Höhere Realzinsen implizieren im Umkehrschluss tiefere Vermögenswerte. Da wird so manche Bilanz von Unternehmen, privaten Haushalten, aber eben auch Finanzdienstleistern ziemlich durcheinandergeschüttelt. In der modernen Finanzwelt, in der Risiken umverteilt werden können, kann man kaum vorhersagen, wer da wann in Schieflage gerät. Aber die Gefahr ist sehr real.

Was raten Sie Anlegern in diesem volatilen Umfeld?

Unsere Anlagestrategien müssen im Lichte unseres in den letzten Jahren gewachsenen Wissens angepasst werden. Die klassischen optimierten Anlagestrategien der Finance haben schlecht funktioniert. Uns ist heute bewusst, dass wir in Bezug auf Strategieberechnung zu wissenschaftsgläubig gewesen sind. Bei der Umsetzung der Strategien kann darüber hinaus dank wachsender Transparenz konsequent auf fähige Vermögensverwalter zurückgegriffen werden. Zentral ist es darauf zu achten, dass der Anleger nicht durch den Produktlieferanten selbst beraten wird. Die dadurch entstehenden Interessenkonflikte sind zu gross, als dass eine objektive Beratung noch möglich wäre. Beratung und Anlagelösung sollten also nicht mehr aus einer Hand kommen. Das Geschäftsmodell von Beratung gleich Verkauf ist obsolet geworden.

Was heisst dies für die Entwicklung des Finanzplatzes Schweiz?

In den kommenden zwanzig Jahren wird die Mehrheit der heute bestehenden Vermögensverwalter verschwinden. Entweder weil sich eben ihr Geschäftsmodell überlebt hat, oder weil sie schichtweg nicht gut genug sind.

Und wie beurteilen Sie von aussen den Finanzplatz Liechtenstein?

Liechtenstein hat mich von je her fasziniert, weil hier mehr Unternehmergeist bei den Anbietern herrscht. Das ist eine gute Voraussetzung, um bei den bevorstehenden Veränderungen zu den Gewinnern zu hören. Dafür muss man aber die Herausforderungen der Transformation proaktiv anpacken.

Klaus W. Wellershoff
CEO Wellershoff & Partners