Liechtenstein steht an der Schwelle einer neuen Ära der Finanztechnologie. Dies stellt Liechtenstein vor die Herausforderung, effektive Regulierungsmechanismen zu implementieren, ohne den Innovationsgeist zu dämpfen. Als Förderer neuer Technologien und Hub für FinTech strebt Liechtenstein danach, die Balance zwischen technologischem Fortschritt und der Notwendigkeit einer sorgfältigen Regulierung zu finden, um so den Weg für eine nachhaltige und innovative Finanzlandschaft zu ebnen.
AI-getriebene Entwicklungen
Im Herzen der Finanzbranche sorgen KI-basierte Technologien wie Large Language Models (LLMs), wie sie beispielsweise hinter ChatGPT stehen, sowie tiefe neuronale Netzwerke für bahnbrechende Innovationen. LLMs, bekannt für ihre Fähigkeit, menschliche Sprache zu verstehen und zu generieren, revolutionieren die automatisierte Kundenberatung. Sie ermöglichen eine präzise und interaktive Kommunikation mit den Nutzern, die personalisierte Finanzberatung auf einem bisher unerreichten Niveau bietet.
Tiefe neuronale Netzwerke treiben den AI-gestützten algorithmischen Handel voran. Durch ihre Fähigkeit, komplexe Muster in riesigen Datensätzen zu erkennen, können sie Marktbewegungen mit einer Präzision vorhersagen, die menschliche Analysen bei Weitem übertrifft.
Auch in der Kreditvergabe ermöglichen neuronale Netzwerke eine genauere und schnellere Bewertung der Kreditwürdigkeit von Antragstellern, die weit über traditionelle Kredit-Scores hinausgeht. Im Wealth Managements ermöglichen sie durch die Analyse von Kundendaten und Marktbedingungen die Erstellung massgeschneiderter Anlagestrategien.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Finanzplatz und Universität schafft eine ideale Plattform für die Erforschung und praktische Anwendung dieser KI-Technologien. Veranstaltungen wie der Digital Finance Summit und die Konferenz «Geld investieren mit KI» bieten Gelegenheiten für Experten aus Industrie und Wissenschaft, sich über die neuesten Entwicklungen auszutauschen, Herausforderungen zu identifizieren und innovative Lösungen zu entwickeln. Dadurch festigt Liechtenstein seine Position als führender Innovator und Schöpfer eines verantwortungsvollen Rahmens für die Nutzung künstlicher Intelligenz in der Finanzindustrie.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Ein entscheidender Erfolgsfaktor für den Einsatz neuer Technologien am Finanzplatz sind die rechtlichen Rahmenbedingungen. Besondere Anforderungen gelten etwa für den algorithmischen Börsehandel: Dienstleister müssen über ein besonders robustes Risikomanagement und über Notfallvorkehrungen (sog «Kill-Funktion») verfügen.
Auswirkungen auf die Finanzbranche hat auch die europäische Datenschutz-Grundverordnung: Etwa die Ablehnung eines Kredit- oder Versicherungsantrags darf nur unter bestimmten Voraussetzungen vollautomatisch getroffen werden; die «manuelle» Korrektur durch einen Menschen muss möglich bleiben. Eine grundlegende Änderung wird der «AI-Act» mit sich bringen, der erstmals einen einheitlichen Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz einführt.
Neue Technologien stehen freilich häufig unbeabsichtigten rechtlichen Hürden gegenüber. Behörden, Politik und Gesetzgeber sind in dieser «heißen» Phase gefordert, rasch passende Rahmenbedingungen zu schaffen. Ein innovationsfreundlicher Rechtsrahmen kann hier als Katalysator wirken. Ein gutes Beispiel dafür ist die liechtensteinische Blockchain-Gesetzgebung (TVTG), mit der Liechtenstein eine Vorreiterrolle einnahm.
Sebastian Stöckl, Professur für Financial Economics Universität Liechtenstein
Bernhard Burtscher, Professur für Bank- und Finanzmarktrecht Universität Liechtenstein