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Because they can!

Wer schaut heute noch linear Fernsehen? Wer bucht sein Hotel noch über ein Reisebüro? Oder wer kauft nur noch stationär ein? Banker schauen gebannt auf die vielen in der letzten Dekade komplett umgepflügten Geschäftsmodelle.

Dabei schwingt immer die bange Frage mit, wann wohl das Banking an der Reihe ist. Nun, wir sind mittendrin. Wer heute glaubt, dass dieser Trend gestoppt wird, irrt sich. In den Nuller-Jahren wurden in vielen Branchen neue Technologien als Basis für die epochalen Veränderungen entwickelt. Im letzten Jahrzehnt wurden diese dann massentauglich eingesetzt. Im Banking ist alles zeitlich nur etwas verschoben. In den letzten Jahren hat die Digitalisierung auch unsere Branche erreicht. Mit Blockchain ist gar eine neue Technologie entwickelt worden, die insbesondere für die Intermediation, eine der Kernfunktionen von Banken, über ein erhebliches disruptives Potenzial verfügt.

Wieso werden aber die ganz grossen Auswirkungen, ja vielleicht gar Disruptionen, erst in diesem Jahrzehnt wirksam? Nun, Technologie alleine genügt nie. Es sind immer die Kunden, die mit ihrem geänderten Verhalten die benötigte Akzeptanz und somit den Durchbruch schaffen. Banken reden schon lange davon, dass die Kunden im Mittelpunkt stehen. Nicht immer hat man sich daran gehalten. Heute ist das anders. Die zukünftigen Geschäftsmodelle müssen konsequent auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet sein. Der traditionelle Verkäufermarkt wird zu einem Käufermarkt. Denn nicht mehr die Banken – also die Dienstleistungserbringer – haben die Macht, sondern die Kunden. Wieso? Ganz einfach: Because they can. Sie können es, weil es die Technologie möglich macht. Das letzte Jahrzehnt hat mit dem Smartphone, 4G und nun 5G sowie der Blockchain-Technologie, um nur einige zu nennen, den Werkzeugkasten gefüllt. Zusätzlich haben die Kunden in anderen Branchen erfahren, dass sich die Macht in ihre Richtung verschoben hat. Das alleine macht süchtig nach mehr.

Als weiteres Element hat sich der gesetzliche und regulatorische Rahmen den neuen Möglichkeiten angepasst. Stichworte sind die Öffnung der Kundenschnittstelle dank der sogenannten PSD2-Regulierung der EU oder das liechtensteinische Blockchain-Gesetz. Alle diese Entwicklungen werden dazu führen, dass die Kunden von der sich immer verbreiternden Angebotsvielfalt mehr Gebrauch machen können und wollen. Bankfremde Anbieter (Fintechs oder gar Silicon Valley-Giganten) werden noch stärker in «unseren» Markt eindringen als bis jetzt schon.

In den letzten Jahren wurden meist bestehende Prozesse effizienter gemacht, also digitalisiert. Doch das ist nicht die Lösung. Eine weitere Konsequenz dürfte sein, dass die Wertschöpfungskette deutlich stärker aufgebrochen wird. Unbundling heisst das Fachwort dazu. Ich wage die Prognose, dass nur noch ganz agile Universalbanken am Ende dieser Dekade erfolgreich sein werden. Spezialisierung und Fokus werden mehr denn je zum Gebot der Stunde. Die Kunden werden noch mehr als heute ihre verschiedenen Dienstleistungen dort beziehen, wo es ihrem Qualitäts- und Preisanspruch sowie weiteren Annehmlichkeiten wie z.B. 24/7-Banking oder Handling entspricht.

Banking geht seit langem der berechtigte Ruf voraus, dass es komplex ist. Dies kann auch in Zukunft durchaus so bleiben. Aber die Digitalisierung führt dazu, dass immer mehr Algorithmen und nicht mehr nur Menschen diese Komplexität für die Kunden reduzieren. Der Wissensvorsprung des Bankers wird kleiner resp. der Anspruch an ihn höher.

Liechtensteins Banken bleiben vor dieser Entwicklung natürlich nicht verschont. Vier Faktoren dürften aber dazu führen, dass wir aus einer Position der Stärke agieren können. Erstens ist unser Geschäftsmodell dank seinem Fokus auf das beratungsintensive Wealth Management ideal. Dieser Bereich ist nicht so einfach skalierbar wie der Zahlungsverkehr oder das Hypothekargeschäft, es setzt einen grossen Vertrauensvorschuss voraus. Zweitens wird die überdurchschnittliche Kapitalisierung dafür sorgen, dass die benötigten hohen Investitionen in die IT gestemmt werden können. Drittens sind wir strategisch gut aufgestellt. Nachhaltigkeit wird der grosse Trend der nächsten Dekaden sein. Dabei gehörte Nachhaltigkeit schon immer zu den Kernwerten und den zentralen Anliegen der hiesigen Banken. Es ist ein Bereich, wo Orientierung und Beratung nötig bleiben. Ein Algorithmus alleine reicht nicht. Und viertens schliesslich hat der Bankenplatz in den letzten 50 Jahren gezeigt, dass er innovativ, resilient und agil ist. Diese Fähigkeiten sind mehr denn je gefragt.

Hans-Werner Gassner
Präsident Liechtensteinischer Bankenverband