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Der Finanzplatz befindet sich in einem stetigen Prozess der Veränderung

Liechtensteins Regierungschef Daniel Risch hält die Begrüssungsansprache am Finance Forum Liechtenstein. Er ist überzeugt, dass sich der Finanzplatz auch in schwierigen Zeiten in einer  ausgezeichneten Position befindet.

Das Finance Forum Liechtenstein 2022 steht unter dem Motto «Zeitenwende in der Finanzwelt». Der Finanzplatz hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wo steht der Finanzplatz heute?

Der Finanzplatz befindet sich in einem stetigen Prozess der Veränderung. Ich sehe darin zwar eine Herausforderung, wir beweisen aber laufend, dass wir die Kraft und den Willen besitzen, diese laufende Veränderung anzunehmen und aktiv zu gestalten. Die letzten Jahre zeigen eindrücklich, dass sowohl unsere Wirtschaft als auch die Politik in diesen unsicheren Zeiten stabil sind. Wir tun das ohne Aktionismus, sondern strategisch und langfristig. Ich sehe den Finanzplatz deshalb in einer ausgezeichneten Position. Die Grundlage dafür ist die Integration in Europa und die Offenheit für Neues. Diese Überzeugung wird in Liechtenstein und gerade auf dem Finanzplatz breit geteilt.

Der Finanzplatz ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Worauf führen Sie dies zurück?

Dafür gibt es verschiedene Gründe. In erster Linie hat das selbstverständlich mit der Qualität der Dienstleistungen und Produkte des liechtensteinischen Finanzplatzes zu tun. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass viele politische Entscheidungen der letzten Jahre richtig waren. Diese politischen Entscheidungen sind nur wirkungsvoll, wenn diese auch umgesetzt werden. Das ist ein konstanter Prozess, den wir gemeinsam mit dem Finanzplatz laufend bewältigen. Wir kommunizieren heute gezielt und selbstbewusst und nutzen unsere Einbettung in zwei der erfolgreichsten Wirtschaftsräume der Welt. Sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft ist Vertrauen ausschlaggebend. Dieses Vertrauen haben sich Liechtenstein und sein Finanzplatz erarbeitet und gefestigt.

Wo sehen Sie weiteres Potential für den Finanzplatz?

Ganz wichtig ist die Offenheit für Innovation. Noch entscheidender ist die Basis, auf der wir diese Offenheit zeigen. Wir haben gemeinsam eine Position erarbeitet, aus der sich der Finanzplatz nicht unter Druck neu erfinden muss. Dabei können wir uns der eigenen, vielseitigen Stärken besinnen. Für mich bildet der Finanzplatz zusammen mit den weiteren Teilen der diversifizierten liechtensteinischen Wirtschaft eine Einheit. Ich erkenne aufbauend auf den traditionellen liechtensteinischen Stärken, gerade auch bezüglich der erwähnten Offenheit für Innovation, grosses Potential. Wir befinden uns zweifellos in einer schnelllebigen Zeit, trotzdem müssen viele Dienstleistungen, unabhängig ob digital oder analog, langfristig ausgelegt sein.

Welche Risiken haben Sie besonders im Auge, wenn es um die Reputation des Platzes geht?

Wir stehen mitten in globalen Herausforderungen, die das Risikomanagement prägen und mittelfristig noch stärker beeinflussen werden. Leider ist festzustellen, dass die Welt polarer wird. Das führt zu neuen Risiken, denen wir begegnen müssen. Wir tun dies nicht alleine, sondern zusammen mit unseren europäischen Partnern. Ein aktives und zeitgemässes Risikomanagement ist im ureigensten Interesse Liechtensteins und erst in zweiter Linie ein Schutz der Reputation.

Liechtenstein hat im Zuge der Sanktionen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine Gelder eingefroren und andere Massnahmen ergriffen. Wie gross ist das Bewusstsein bei den Finanzdienstleistern, dass solche Sanktionen konsequent umgesetzt werden müssen?

Liechtenstein ist eines der wenigen Länder, das als Nichtmitgliedstaat die EU-Sanktionen, insbesondere die Finanzsanktionen autonom und vollumfänglich nachvollzieht. Wir tun dies aus voller Überzeugung. Ich wiederhole hier etwas, das ich seit Beginn dieses schrecklichen Angriffskrieges sage: Dem Finanzplatz kommt eine besondere Verantwortung zu. Diese Überzeugung findet breite und öffentliche Unterstützung bei den Finanzplatzverbänden. Das ist ein starkes Zeichen, denn die Umsetzung der Sanktionen ist hochkomplex und nur partnerschaftlich, sowohl national als auch international, zu bewerkstelligen.

Liechtenstein hat 2019 als erstes Land ein Gesetz zur Regulierung der Blockchain-Technologie verabschiedet. Welche Bedeutung hat das für den Finanzplatz?

Das Blockchain-Gesetz hat Rechtssicherheit und -klarheit geschaffen, damit etablierte sowie neue Unternehmen die Potentiale nutzen und wir als Standort die Risiken minimieren können. Seit das Gesetz in Kraft getreten ist, konnte enormes Fachwissen aufgebaut und Erfahrung gesammelt werden, zwei Elemente, die eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung sind. Sie eröffnet uns gegenüber anderen Standorten Vorteile.

Welches Potential sehen Sie hier besonders für die Finanzbranche in Liechtenstein?

Die Nutzung von Kryptowerten zur Vermögensanlage eröffnet interessanten Handlungsraum für die Finanzbranche: Das Blockchain-Gesetz bietet für verschiedene Kryptowerte Rechtssicherheit und gleichzeitig Möglichkeiten zur Positionierung. Eine weitere Ergänzung des Anlagespektrums, die unsere Finanzbranche den Kunden bieten kann, zeigt sich in den tokenisierten Vermögenswerten. Auch hier bestehen durchaus Chancen für unseren Finanzplatz.

Wird Liechtenstein zum Krypto-Standort?

Seit Anfang April 2019 zeigen die steigenden Zahlen eine Dynamik, Aktivität und Attraktivität von Liechtenstein als Innovationsstandort. Wir streben an, gute Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen und Unternehmensinnovation zu bieten. Die Blockchain ist ein zusätzlicher Treiber für die zukünftige Entwicklung des Finanzplatzes, aber auch der Wirtschaft. Unser Anspruch ist es, relevante Entwicklungen zeitnah zu erkennen und die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich die bestehenden, aber auch neue Unternehmen in Liechtenstein erfolgreich entwickeln können.

Sie sind kürzlich vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin empfangen worden. Wie sehen Sie das Verhältnis zu Deutschland?

Deutschland ist politisch und wirtschaftlich einer der wichtigsten Partner Liechtensteins. Die Einladung nach Berlin ist eine Anerkennung für unser Land und ein klares Zeichen für diese engen und hervorragenden Beziehungen. Die Gespräche fanden auf Augenhöhe statt. Die enge Partnerschaft mit Deutschland werden wir weiter ausbauen und vertiefen. Uns verbindet sehr viel. Zur Bewältigung der globalen Herausforderungen braucht es möglichst breite, weit über bilaterale Beziehungen hinausgehende Partnerschaften und gemeinsame Interessen. Auch diesbezüglich stelle ich ein hohes Mass an Übereinstimmung mit Deutschland fest. Das ist eine gute Grundlage für die Zukunft.