Blog

Der heimische Finanzsektor musste sich schon immer vorausschauend ausrichten

Das diesjährige Finance Forum Liechtenstein widmet sich dem Thema «Die Finanzwelt der Zukunft». Wie sieht in Ihren Augen die Finanzwelt von morgen aus?
Gisela Bergman, Prinzessin von und zu Liechtenstein: Grundsätzlich sind solche Vorhersagen schwierig, denn die Welt unterliegt Einflüssen und Dynamiken, die oft nur schwer vorhersehbar sind. Dies verlangt Anpassungen in den Geschäftsmodellen. Die Basis der Finanzwelt aber bleibt konstant: die Möglichkeit, zu geben, Erspartes und Erwirtschaftetes zu sammeln und als Kapital gezielt der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Weiter ist Geld das Rohmaterial der Finanzindustrie und als Tauschmittel zu transferieren bzw. als Aufbewahrungsmittel zu halten. Sie ist die Schnittstelle zur Realwirtschaft und musste sich schon immer an veränderte Rahmenbedingungen anpassen. Daher ist es nicht die Aufgabe der Finanzindustrie – als Dienstleister für die Realwirtschaft – wirtschaftliche Entwicklungen in der Gesamtwirtschaft zu planen und zu versuchen, solche durchzusetzen. Mit der zunehmenden Globalisierung hat sich auch die Geschwindigkeit, mit der die Instrumente der Finanzbranche angepasst werden müssen, markant erhöht. Die Möglichkeiten, die sich aus neuen Technologien ergeben, wirken als zusätzliche Beschleuniger. Um sich behaupten zu können, gilt es meines Erachtens, insbesondere die Entwicklungen im technologischen, regulatorischen und geopolitischen Bereich genau zu beobachten und  frühzeitig die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken zu evaluieren. Zudem gilt, je agiler und kundenorientierter eine Organisationsstruktur gehalten ist, desto flexibler kann ein Unternehmen auf Veränderungen reagieren.

Thomas Zwiefelhofer: Die Finanzwelt von morgen wird nicht so viel anders aussehen, als die Finanzwelt von heute. Werte wie Sicherheit, Stabilität oder angemessenes Risiko-Ertrag-Verhältnis werden bleiben. Aber wir werden sicher noch mehr Digitalisierung erleben, und dadurch auch neue Möglichkeiten, Risiken im Griff zu behalten oder innovative Finanzprodukte zu entwickeln.

Geopolitische Spannungen und wirtschaftliche Eintrübungen beeinflussen das Verhalten von Investoren und Anlegern. Wie beurteilen Sie die aktuelle Stimmung?
Gisela Bergman, Prinzessin von und zu Liechtenstein: Die Welt steckt in herausfordernden Zeiten. Insbesondere die geopolitischen Machtverschiebungen, die sich derzeit auf unterschiedlichen Ebenen äussern, wirken sich auf Gesellschaft, Wirtschaft und auf die Finanzbranche aus. Als Reaktion werden regulatorische Vorgaben weiter verschärft und der administrative Aufwand erhöht. Dazu kommt derzeit die Angst vor einer rezessiven Entwicklung und den möglichen Folgen für die Finanzbranche. Das wirkt sich auf die allgemeine Stimmung aus, wobei ich aber den Eindruck habe, dass wir hier in Liechtenstein gut aufgestellt sind mit unserer Tradition in der langfristig ausgerichteten Vermögensverwaltung, dem generationenübergreifenden Vermögenserhalt und Vermögensschutz. Der heimische Finanzsektor musste sich aufgrund seiner Grösse schon immer vorausschauend ausrichten und flexibel agieren. Ich denke, dass wir heute von dieser Haltung profitieren.

Thomas Zwiefelhofer: Die aktuelle Stimmung ist fragil und von Vorsicht geprägt. Es scheint das Bewusstsein eingekehrt zu sein, dass es kein leichtes Zurück zu ungehemmter Globalisierung und berechenbaren geopolitischen Verhältnissen gibt. Die Illusion, dass sich die Welt unumkehrbar einseitig hin zu den gängigen westlichen Werten weiterentwickelt ist endgültig der Realität einer multipolaren und konfrontativeren Welt gewichen. Dennoch müssen Probleme wie die Klimakrise oder die globalen Migrationsströme multilateral angegangen und gelöst werden. Keine leichte Aufgabe.

Wo sehen Sie besondere Chancen und Herausforderungen für den Finanzplatz Liechtenstein?
Gisela Bergman, Prinzessin von und zu Liechtenstein: Der liechtensteinische Finanzplatz hat sich über die vergangenen Jahre gut positioniert und sich als verlässlicher Partner auf europäischer und internationaler Ebene bewährt. Damit ist eine wichtige Grundlage gelegt. Politisch und wirtschaftlich instabile Zeiten erhöhen den Bedarf nach Schutz und Sicherheit und daraus ergeben sich gerade für unseren Finanzplatz Chancen. Als grösste Herausforderung erachte ich die voranschreitende Einschränkung von ökonomisch-unternehmerischen Handlungsoptionen und die Bürden, die sich aus der zunehmenden Regulierung ergeben. Wir müssen Sorge tragen zu unseren Rahmenbedingungen und unser in Liechtenstein ausgeprägtes Verständnis für die Bedeutung von Eigentumsrechten bewahren. Liechtenstein liegt im Herzen Europas, erhält ein konstantes AAA-Rating und steht für Standortvorteile, die im internationalen Vergleich unverwechselbar sind.

Thomas Zwiefelhofer: Die Liechtensteins Stärke sind insbesondere seine Kleinheit und die unvergleichliche Stabilität. Zu beiden Aspekten müssen wir Sorge tragen. Die Kleinheit ermöglicht schnelles und innovatives Agieren, mit sehr kurzen Wegen und vergleichsweise wenig Bürokratie. Sie bedingt aber auch kluges Handeln, um sich nicht Angriffen auszusetzen. Die hohe Stabilität, finanziell und politisch, generiert Sicherheit und Zuverlässigkeit, was für Kunden in einer zunehmend instabileren Welt von noch grösserer Bedeutung als bislang sein dürfte. Finanzdisziplin und der Verzicht auf grössere politische Experimente bleiben daher wichtig.

 

I.D. Gisela Bergmann, Prinzessin von und zu Liechtenstein
Geschäftsführende VR und CEO Industrie- und Finanzkontor

Thomas Zwiefelhofer
Member of the Group Board First Advisory