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Die Digitalisierung ist und bleibt ein Game Changer

Vontobel-CEO Zeno Staub spricht am Finance Forum Liechtenstein zu den Erfolgsfaktoren von Swiss Banking. Er ist überzeugt, dass regulierte Finanzdienstleister auch in Zukunft das Rückgrat der Finanzwelt bilden, sofern sie die veränderten Kundenbedürfnisse ernst nehmen.

Herr Staub, das diesjährige Finance Forum Liechtenstein widmet sich dem Thema «Die Finanzwelt der Zukunft». Wie sieht in Ihren Augen die Finanzwelt von morgen aus?

Zeno Staub: Staatlich legitimierte FIAT-Währungen sowie regulierte Finanzdienstleister werden auch Morgen das Rückgrat der Finanzwelt sein. Kunden werden auch in Zukunft einen hohen Anlagebedarf haben. Die Vorsorgelücke wird eher zunehmen als abnehmen. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass nicht auch morgen Anlagen an den Kapitalmärkten langfristig besser rentieren als das Sparbuch. Die Digitalisierung ist und bleibt der Game Changer. Sie wird unser Geschäft weiter verändern. Sie wird nicht die persönliche Beratung ersetzen. Kunden wollen auch in Zukunft nicht mit Avataren reden, wenn es komplexer wird, sondern mit Menschen, denen sie vertrauen. Das zeigen zahlreiche Studien. Und da gibt es keinen Unterschied zwischen alt und jung oder affluent und sehr vermögend. Aber Technologie schafft auch neue und zusätzliche Möglichkeiten zum Kundenkontakt. Wenn wir das Wissen aus den digitalen Touch Points richtig nutzen, können wir noch viel zielgenauer die persönlichen Wünsche und Erwartungen erfüllen. Vor allem aber gibt sie die Möglichkeit zur weiteren Individualisierung von Investmentmöglichkeiten, die früher zu attraktiven Kosten nicht möglich gewesen wären – zum Vorteil unserer Kunden.

Wie rüstet sich Vontobel, um für die künftigen Bedürfnisse der Kunden gerüstet zu sein?

Vontobel wird weiterhin in hochqualifizierte Mitarbeitende und moderne Technologie investieren für ein hybrides Kundenangebot, das den Ansprüchen von morgen entspricht. Und wir werden Technologie nutzen für unser internationales Wachstum im Asset-Management-Bereich. Vor allem aber werden wir in unsere globale aktive Investmentkompetenz weiter investieren. Sie ist das Kernstück unseres Investmenthauses. In Zukunft wollen wir unseren Kunden ermöglichen, auch in Private Markets zu investieren. Das entspricht dem Kundenbedürfnis und der Markt ist auch nach der Korrektur für langfristig orientierte Anleger weiterhin sehr interessant. Grundsätzlich gilt aber, dass wir uns auch in Zukunft nicht verzetteln werden. Wir werden weiterhin nur das tun, was wir können. Und unsere Asset-Management-Kunden wie auch unsere privaten Kunden wissen, dass sie sich darauf verlassen können, dass wir können, was wir tun.

Die Finanzdienstleister stehen aktuell vor zahlreichen Herausforderungen in Bezug auf Regulierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Welche Themen beschäftigen Sie am stärksten?

Wir haben vor wenigen Wochen unsere sechs «Sustainability Commitments» der Öffentlichkeit vorgestellt. Eines davon ist «Path to Net-Zero». Bis 2030 wollen wir unsere Treibhausgasemissionen im Rahmen unseres Geschäftsbetriebs und unserer Anlagen im Bankbuch auf null reduzieren. Darüber hinaus streben wir an, unsere Treibhausgasemissionen im Bereich der Anleihen im Handelsbuch bis 2050 auf null zu reduzieren. Das ist recht ambitioniert. Aber wir wollen es schaffen. Digitalisierung steht bei uns ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung. Im Mittelpunkt steht immer wieder die Frage, wie wir neue Technologien für ein noch besseres Kundenerlebnis und noch individuellere Lösungen nutzen können, die früher nur ganz grossen oder institutionellen Kunden zur Verfügung standen. So hat Vontobel beispielsweise mit iPortfolio eine proprietäre Lösung entwickelt, mit deren Hilfe tausende von individuellen Kundenportfolios aktiv verwaltet und gleichzeitig die Anlagestrategien von Vontobel konsistent abgebildet werden können. Lösungen wie iPortfolio sollen auch in Zukunft weiterentwickelt werden, um Kunden einen noch besseren, individuelleren Service zu bieten und neue Kundengruppen anzusprechen. Ein anderes Thema, das uns seit geraumer Zeit immer intensiver beschäftigt, sind natürlich die geopolitischen Veränderungen. Sie beeinflussen das Leben unserer Kunden und letztlich auch uns.

Schweizer Finanzdienstleister sorgen sich um den internationalen Marktzugang. Welche Lösungen sehen Sie für das grenzüberschreitende Geschäft?

Swiss Banking ist ein Exportprodukt. Das gilt auch für Vontobel. Mehr als die Hälfte unserer verwalteten Vermögen stammen von Kunden ausserhalb der Schweiz. Für den EU-Markt nutzen wir vor allem unseren Hub in Deutschland. US-Kunden, die regional diversifizieren möchten, stehen wir mit unserer SEC registrierten Vermögensverwaltung zur Verfügung. Damit sind unsere Kunden sehr zufrieden. Es gibt Rechtssicherheit. Begrüssenswert wäre ein bilaterales Abkommen zwischen Grossbritannien und der Schweiz. Das würde das grenzüberschreitende Geschäft nach dem Brexit sehr erleichtern. Die Nachfrage ist da. Grundsätzlich gilt, dass Handelsgrenzen beiden Partnern mehr schaden als nutzen. Die aktuelle geopolitische Lage sollte eher dazu führen, dass die Regionen mit dem gleichen Werteverständnis wirtschaftlich noch stärker zusammenarbeiten und damit unabhängiger werden von anderen Staaten. Die Pandemie hatte bereits gezeigt, wie wichtig es ist, auch bei den Geschäftspartnern möglichst diversifiziert aufgestellt zu sein. Vor diesem Hintergrund wäre auch eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen der Schweiz und der EU wünschenswert.

Wo sehen Sie am meisten Potenzial für künftiges Wachstum?

Wir haben eine sehr fokussierte Strategie. Als aktiver Investmentmanager wollen wir nicht alles machen und auch nicht überall sein. Bewusst haben wir uns als reines Investmenthaus komplett auf die Seite unserer Asset- und Wealth-Management-Kunden gestellt. Unsere Interessen stehen vollkommen im Einklang mit den Interessen und Zielen unserer Kunden. In der sich verändernden Welt haben wir darüber hinaus unseren Fokus auch noch stärker als bisher auf grosse, etablierte Märkte gelegt, die sich durch eine Vielzahl anspruchsvoller Kunden auszeichnen, denen wir mit unserer globalen Investmentexpertise für die Erfüllung ihrer persönlichen Ziele zur Seite stehen können. Hierzu zählen neben der Schweiz die USA, Deutschland, Italien, UK, Japan und Singapur sowie ausgewählte lateinamerikanische Märkte. Wachstumschancen sehen wir dabei sowohl im Wealth Management wie auch im Asset Management.

Vontobel war bis 2018 mit einer eigenen Banklizenz in Liechtenstein vertreten. Warum haben Sie das Bankgeschäft in Liechtenstein damals veräussert?

Wir hatten uns damals entschieden, die Komplexität im Wealth Management zu verringern und uns deshalb auf die Schweizer sowie auf die deutsche Plattform, die Vontobel für eine Reihe von europäischen Marktaktivitäten dient, zu fokussieren. Darüber hinaus hatten wir einen sehr guten Partner für unsere Kunden gefunden, die in Liechtenstein gebucht werden möchten. Es war keine leichte Entscheidung, aber eine, die für ein mittelständisches Investmenthaus wie Vontobel und letztlich auch für unsere Kunden Sinn machte.

Wie nehmen Sie heute von aussen den Finanzplatz Liechtenstein wahr?

Zur Jahrtausendwende gab es eine Vielzahl von Stimmen, die das Ende des Bankings in Liechtenstein, aber auch in der Schweiz vorhersahen. Indem wir uns auf unsere Stärken fokussiert haben, stehen wir heute besser da als zuvor. Als kleine Länder haben wir schon immer international gedacht. Wir sind der Zukunft zugewandt, verstehen Dienstleistung und zeichnen uns durch Zuverlässigkeit und Stabilität aus. Eigenschaften und Werte, die in der heutigen Welt ein Wettbewerbsvorteil sind.

Zeno Staub
CEO Vontobel