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Die Vielfalt unseres Finanzplatzes ist wohl einzigartig

Giorgio Pradelli ist CEO von EFG International. Er leitet eine der grössten Privatbanken der Schweiz mit über 40 Standorten weltweit, unter anderem auch in Vaduz. Am Finance Forum Liechtenstein spricht er über die Erfolgsfaktoren für den Finanzplatz.

Herr Pradelli, das diesjährige Finance Forum Liechtenstein widmet sich dem Thema «Eine neue Ära in der Finanzwelt». Wie sehr hat der Untergang der Credit Suisse den Finanzplatz Schweiz verändert?

Der Finanzplatz steht nach wie vor stark da und geniesst international einen guten Ruf und das Vertrauen der Kundschaft. Internationale Kundinnen und Kunden haben im vergangenen Frühling rasch verstanden, dass es sich um ein Institut spezifisches Problem handelte. Wir haben in der Schweiz ein gesundes Ökosystem und die Vielfalt unseres Finanzplatzes ist wohl einzigartig. Mit einer grossen globalen Universalbank, zahlreichen renommierten Privatbanken mit weltweiter Präsenz, Tochtergesellschaften internationaler Player und einer Vielzahl von auf das Retailgeschäft fokussierten Instituten, haben sämtliche Kundengruppen Zugang zu einer Dienstleistungsqualität und -breite, die ihresgleichen sucht. Ich persönlich bin für die Zukunft des Schweizer Finanzplatzes zuversichtlich.

Wie rüstet sich die EFG International, um für die künftigen Bedürfnisse der Kunden gerüstet zu sein?

Für Privatbanken wie uns bleibt wichtig, dass wir unseren Kundinnen und Kunden höchste Servicequalität sowie massgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Dazu braucht es auch künftig hochqualifizierte Kundenberaterinnen und Kundenberater – oder Client Relationship Officers (CROs) wie wir sie nennen –, die sich persönlich um die sehr individuellen Bedürfnisse und Anliegen unserer vermögenden Kundschaft kümmern. Ich bin daher überzeugt, dass wir mit unserem einzigartigen CRO-Modell, das die Beziehung zu unseren Kundinnen und Kunden ins Zentrum stellt, auch in Zukunft gut aufgestellt sind. Insbesondere bei den jüngeren Kundinnen und Kunden spielen beispielsweise die Berücksichtigung von ESG-Faktoren und zeitgemässe digitale Lösungen eine wachsende Rolle. Vertrauen und Stabilität bleiben die Basis des Vermögensverwaltungsgeschäfts und wir wollen unsere Kunden dabei unterstützen langfristig Wert zu schaffen.

Die Finanzdienstleister stehen aktuell vor zahlreichen Herausforderungen in Bezug auf Themen wie Regulierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Welche Themen beschäftigen Sie am stärksten?

Bei Anpassungen am Regelwerk muss das Ziel immer sein, die identifizierten Ursachen gezielt zu adressieren, sowie auch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Risikoprofile der Banken zuberücksichtigen. Das ist aus meiner Sicht ein wichtiger Grundsatz.

Das Thema Nachhaltigkeit hat in Politik und Gesellschaft allgemein stark an Bedeutung gewonnen und ist entsprechend auch für unsere Kundinnen und Kunden bei der Geldanlage ein wichtiger Faktor. Mit dem bevorstehenden grössten Vermögenstransfer der Geschichte an eine jüngere Generation wird sich dies noch akzentuieren. Als «Asset Allocator» im Auftrag unserer Kunden besteht unsere Rolle darin, ESG-Faktoren wirksam in den Beratungs- und Investmentprozess einzubeziehen sowie den Zugang entsprechenden Produkten anzubieten. Für unseren eigenen Betrieb beabsichtigen wir eine Reduktion der CO2-Emissionen um 50 Prozent bis 2030 gegenüber 2023 und Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen.

Die Digitalisierung bietet uns eine wichtige Möglichkeit zur Differenzierung und ist zugleich Wachstumstreiber. Im Rahmen unserer dedizierten Digital-Strategie wollen wir mit dem Ausbau unserer Fähigkeiten sowohl das Kundenerlebnis weiter verbessern wie auch die internen Prozesse effizienter gestalten.

Wo sehen Sie am meisten Potenzial für künftiges Wachstum?

Grundsätzlich sehen wir in allen unseren Regionen attraktives Wachstumspotenzial, allerdings beobachten wir, dass im geografischen Gürtel vom Nahen Osten, über den indischen Subkontinent bis hin zu Südostasien derzeit am meisten Wohlstand geschaffen wird. Daher dürften auch für EFG die Regionen Asien, Europa-Naher Osten aber auch Lateinamerika Wachstumstreiber bleiben. Bereits im letzten Jahr konnten diese in Bezug zum Neugeld zweistellige Wachstumsraten auswiesen. Neben dem organischen Wachstum sind wir auch an Übernahmen interessiert, sofern wir dadurch unsere Marktposition in Regionen stärken können, in denen wir bereits aktiv sind, und auch das Mindset und die Kultur des Zielunternehmens zu der unsrigen passt.

EFG ist mit einer eigenen Bank in Liechtenstein vertreten. Welches Potenzial sehen Sie hier?

Einerseits im klassischen Private Banking, der ganzheitlichen Betreuung von vermögenden Privatpersonen. Hier ermöglicht Liechtenstein einen uneingeschränkten Zugang für Finanzdienstleistungen in den Europäischen Wirtschaftsraum, was bei unserer internationalen und hochmobilen Kundschaft ein wichtiger Vorteil ist. Anderseits ist das Geschäft mit liechtensteinischen Intermediären wie Vermögensverwaltern und Treuhändern von Bedeutung. Hier ermöglicht unsere Präsenz in Liechtenstein Kundennähe und ein gutes Verständnis für deren Bedürfnisse. EFG hat weltweit über 40 Standorte, was uns Zugang zu einem globalen Netzwerk gibt und gleichzeitig die Vorteile der lokalen Expertise bietet. Obwohl wir als einzelne Einheit ein kleinerer Spieler in Liechtenstein sind, würde unsere Gruppe als Ganzes die zweitgrösste Bank des Landes darstellen.

Wie nehmen Sie den Finanzplatz Liechtenstein wahr?

Liechtenstein ist ein international respektierter, traditionsreicher und wettbewerbsfähiger Finanzplatz, der auch offen für Innovation ist. Dies zeigt die positive Entwicklung der verwalteten Vermögen und des Personalbestandes der Banken. Das Land teilt sich viele Stärken mit der Schweiz: Die Währung, ein stabiles rechtliches und politisches Umfeld sowie eine auf langjähriger Erfahrung basierende hohe Dienstleistungsqualität. Solche Eigenschaften sind in geopolitisch unruhigen Zeiten wie wir sie aktuell erleben wichtiger denn je.