Seit der Finanzkrise überschwemmt eine regulatorische Flut nach der anderen die Finanzwelt. Finanzinstitute schaffen es kaum, zwischen der Umsetzung der zahlreichen neuen regulatorischen Vorgaben Luft zu holen. Im Folgenden werden wir drei neue Regulierungsprojekte beleuchten, welche exemplarisch verdeutlichen, wie komplex und gleichzeitig unterschiedlich die verschiedenen Vorgaben sind – und dass neben neuer Regulierung zuweilen auch Deregulierungsprojekte auszumachen sind.
Während das Ziel der ersten zwei Regularien namentlich darin besteht, die Stabilität und Effizienz der europäischen Finanzmärkte zu verbessern und den Kundenschutz zu stärken – im Falle der MiFID/MiFIR-Reform durch die Anpassung bzw. Verbesserung von bestehender Regulierung und im Falle der MiCA durch die Schaffung einer neuen Regulierung –, zielt die ELTIF-Reform darauf ab, mittels gezielter Deregulierung den Zugang zu Finanzmitteln für kleinere und mittlere Unternehmen zu verbessern.
Auch die liechtensteinische Finanzindustrie und die entsprechenden Institute sind von diesen regulatorischen Änderungen betroffen und tun gut daran, die damit einhergehenden Chancen und Risiken zu analysieren.
Überarbeitung von MiFID II und MiFIR – Neuerungen zur Stärkung der Markttransparenz
Die Europäische Kommission veröffentlichte am 25. November 2021 Vorschläge zur Änderung der Finanzmarktrichtlinie II (MiFID II) und der Finanzmarktverordnung (MiFIR). Damit beabsichtigt sie die Einrichtung eines EU-weiten konsolidierten Bandes für Finanzinstrumente und gezielte Änderungen der Marktstruktur, um die Transparenz zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Finanzmärkte zu stärken. Voraussichtlich soll bis Ende des 3. Quartals 2023 der endgültige Gesetzestext vorliegen.
Ein wichtiger Aspekt der Überarbeitung von MiFIR ist die Position von Kleinanlegern zu stärken, indem der Zugang zu den benötigten Daten für Investitionen in Aktien oder Anleihen verbessert wird. Während die Änderungen der MiFID II in erster Linie darauf abzielen, die Kohärenz mit den Änderungen der MiFIR zu gewährleisten, sind letztere recht bedeutend und betreffen verschiedene Bereiche. Die wichtigsten Vorschläge betreffen die Einrichtung einer als «konsolidierter Datenticker» bezeichneten zentralen Datenbank, das Verbot der Entgegennahme von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen, die Begrenzung des Dark Tradings und die Änderung der Aufschubsfristen.
MiCA – neue europäische Regulierung für Kryptowerte
Am 24. September 2020 hat die Europäische Kommission den Vorschlag zur Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) vorgelegt. Der Rat und das Europäische Parlament haben schliesslich am 30. Juni 2022 eine vorläufige Einigung über die MiCA erzielt, was voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf Krypto-Anbieter in- und ausserhalb der EU und Finanzinstitute haben wird. Das Inkrafttreten wird für Ende 2023 bzw. Anfang 2024 erwartet.
Die MiCA soll innerhalb der EU und des europäischen Wirtschaftsraums einen einheitlichen Rechtsrahmen für diejenigen Kryptowerte und -Dienstleister definieren, welche nicht bereits durch andere europäische Finanzmarktregulierungen erfasst sind. Die MiCA wird zum einen Regeln für die Emittenten von bestimmten Kryptowerten wie namentlich Stable Coins enthalten. Zum anderen wird die MiCA die von Krypto-Dienstleistern zu erfüllenden Anforderungen definieren und diese einer Bewilligungspflicht unterstellen.
ELTIF-Reform – ein Neustart
Die Europäische Kommission hat am 25. November 2021 einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung über europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF) publiziert. Daraufhin haben der Rat und das Europäische Parlament am 19. Oktober 2022 eine vorläufige Einigung über die Änderungen der Verordnung erreicht. Die überarbeitete ELTIF-Verordnung wird voraussichtlich im März 2023 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und nach neun Monaten Anwendung finden.
Die Überarbeitung der Verordnung soll eine Reihe von Beschränkungen auf der Angebots- und Nachfrageseite überwinden, welche den Markt für ELTIF immer noch stark begrenzen und die Anlageform für Investoren unattraktiv machen. Marktteilnehmer kritisieren an der gegenwärtigen Verordnung insbesondere die hohen Hürden für ein Investment von Kleinanlegern, die erheblichen Einschränkungen im Vertriebsprozess und strengen Vorschriften für eine Portfoliozusammensetzung.
Mit dem Änderungstext sollen nun die adressierten Kritikpunkte angegangen werden. So konkretisiert der Verordnungsentwurf insbesondere den Umfang der zulässigen Vermögenswerte und Investitionen, die Anforderungen an die Portfoliozusammensetzung und -diversifizierung, die Bedingungen für die Barkreditaufnahme und -vergabe und weitere Anforderungen für die Fonds sowie Nachhaltigkeitsaspekte. Schliesslich will die Reform auch die Investitionen in ELTIF von Kleinanlegern vereinfachen und einen starken Anlegerschutz sicherstellen.
Philipp Rosenauer, Partner und Head Data Privacy, ICT und Implementation +, PwC Schweiz
Jean-Claude Spillmann, Partner und Head Asset & Wealth Management and Banking Regulatory Legal, PwC Schweiz