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ESG-Versprechen dürfen nicht nur leere Versprechungen bleiben

Das Interesse von Anlegerinnen und Anlegern nach nachhaltigen Geldanlagen steigt weiter. Jedoch zeigt sich, dass nicht überall wo ESG draufsteht auch ESG drin ist. Neue Regulierungen und Standards sollen für mehr Transparenz, bessere Vergleichbarkeit und weniger Greenwashing sorgen. Jedoch erhöhen diese auch die Komplexität der Thematik selbst.

Jüngste Entwicklungen zeigen, dass die Greenwashing-Problematik bei den Aufsichtsbehörden an Stellenwert zugenommen hat und ein neues Zeitalter im Kampf gegen Greenwashing – leere ESG-Versprechen – angebrochen ist. Im Mai 2022 führte die deutsche Aufsichtsbehörde (BaFin) erstmalig eine Razzia aufgrund von Greenwashing-Vorwürfen durch und durchsuchte die Räumlichkeiten der Deutsche-Bank-Tochter DWS. Nicht nur in Europa schauen die Aufsichtsbehörden nun genauer hin, sondern auch in Übersee. Die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) hat Anfang Jahr eine Klima und ESG-Task-Force initiiert und kürzlich eine Untersuchung gegen Goldman Sachs und deren Nachhaltigkeitsfonds eingeleitet.

Europa führend, Liechtenstein zieht nach

Nachhaltigkeit wird vermehrt in nationalen und internationalen Regelwerken definiert. In der EU liegen mit der neuen EU-Taxonomie und der Offenlegungsverordnung Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) konkrete Umsetzungsinstrumente vor. Hierzu wurde in Liechtenstein kürzlich ein Durchführungsgesetz verabschiedet, dass die EU-Regulierungen bezüglich nachhaltigen Finanzprodukten in nationales Recht überführt. Somit ist ab dem 1. Mai 2022 SFDR und die EU-Taxonomie auch in Liechtenstein in Kraft getreten. Ungeachtet der angewandten Mittel in den verschiedenen Jurisdiktionen wollen alle dasselbe: Transparenz schaffen, Vergleichbarkeit herstellen und Greenwashing verhindern.
Trotz – oder vielleicht auch wegen – den vielen verschiedenen Regulierungen und Standards mit dem gleichen Ziel, fehlt die Orientierung. Denn das Spektrum an angewandten Anlagestrategien (z.B. Ausschlussstrategie, Best-in-Class-Selektion, ESG-Integration, Thematische Ansätze usw.) und verfolgten Nachhaltigkeitszielen (z.B. Wasser, Diversität, Biodiversität usw.) von nachhaltigen Anlagen scheinen nahezu grenzenlos zu sein. Auf Basis verschiedener Szenarien haben wir von PwC Schweiz ein Rahmenwerk für die Greenwashing-Analyse und Bewertung von ESG-Finanzprodukten entwickelt, welche aus vier Elementen besteht.

In einer aktuellen Studie beurteilen wir 220 ESG-Fonds anhand dieses Rahmenwerks:

Produktelemente: Die meisten aktuellen ESG-Fonds sind hellgrün, über zwei Drittel in Aktien investiert. Aktiv bewirtschaftete Portfolien dominieren. Mehrheitlich kommt eine Ausschlussstrategie zur Anwendung, wobei diese noch kein nachhaltiges Produkt definiert und oft nicht transparent in den Fondsdokumenten dargestellt wird.

Offenlegung: Die Offenlegung ist generell gehalten, unstrukturiert, vage und oft schwer zu finden. Bindende ESG-Messgrössen (KPI) wie Carbon Footprint, SBTs, Temperaturpfad oder Scope 1–3 fehlen. Mehr als die Hälfte der Fonds geben keinen Minimalanteil an nachhaltigen Anlagen vor.

Anlagestrategie: Die angewendeten Anlagestrategien sind inkonsistent. Der Begriff ESG-Integration zum Beispiel wird unterschiedlich interpretiert. Schwerpunkte bei S und G fehlen.

Daten und Ratings: Die meisten Banken nutzen Daten von externen Ratingagenturen wie MSCI oder Sustainalytics, wobei die Nachvollziehbarkeit fraglich ist, da diese nicht angemessen geprüft werden.

Versprechen einlösen

Aktuell formen Regulator und Standardsetter das Umfeld von nachhaltigen Finanzprodukten. Trotzdem bleiben die involvierten Akteure selbst in der Pflicht. Anlegerinnen und Anleger müssen sich über ihre persönlichen Nachhaltigkeitspräferenzen bewusst werden und klar kommunizieren, was sie als nachhaltige Anlage ansehen und welchen Prozentsatz sie in nachhaltige Anlagen investiert haben wollen. Diese Absichten sollten die Banken kennen und entsprechend reagieren. Deshalb müssen nicht nur die Fundamentaldaten von ESG-Produkten stimmen, sondern durch ESG-Elemente ergänzt werden. Generell gilt es, den ESG-Bezug der Finanzprodukte und die nachhaltige Anlagestrategie transparent zu kommunizieren.

Dr. Antonios Koumbarakis
Head Sustainability & Strategic Regulatory, PwC Schweiz