Blog

Herausforderungen erfordern agile Geschäftsmodelle

“Banking is necessary, banks are not.”
Jeder in der Finanzwelt kennt diesen wohl meistzitierten Ausspruch von Bill Gates aus dem Jahr 1994. Heute, rund dreissig Jahre danach, muss man wohl konstatieren, dass der Microsoft-Gründer falsch gelegen hat. Nicht nur gibt es immer noch Banken. Nein, die Banken werden auch immer grösser, ertragsreicher und unverzichtbarer. Die Kurzfassung dafür lautet: Banken sind wie wohl keine andere Branche auf der Welt flexibel oder wie es im modernen Business Slang heisst «agil». Neue Trends wurden rasch übernommen und weiterentwickelt. Ein Beispiel dafür aus der jüngeren Geschichte: als im Zuge der Digitalisierung alle Welt den jungen Fintech-Unternehmen eine gewaltige disruptive Kraft zugesprochen hatte, haben die Banken rasch darauf reagiert und entweder eigene Lösungen aufgebaut oder aber mit Fintechs zusammengearbeitet. Heute ist aus dem Hype ein Geschäftsmodell geworden, das im traditionellen Banking angekommen ist. Nicht zuletzt deshalb haben wir in unserer Roadmap 2025, der Mehrjahresstrategie der Banken, Agilität als einen von vier Erfolgsfaktoren definiert.

Die erwartete Vorhersage ist gerade angesichts der aktuellen und zahlreichen politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Herausforderungen schwieriger denn je. Ich wage aber trotzdem einen Blick in die Glaskugel auf Trends, welche die Finanzwirtschaft im weiteren und die Banken im engeren Sinn beeinflussen dürften.

Künstliche Intelligenz in Vormarsch
Der Megatrend schlechthin, die fortschreitende Digitalisierung, wird auch weiterhin der wichtigste Treiber für Veränderungen in der Finanzwirtschaft bleiben. Ich denke hier aber nicht in erster Linie an den Zahlungsverkehr oder ein noch stärkeres Plattform- oder Ökosystemdenken. Vielmehr dürfte in den nächsten Jahren Künstliche Intelligenz (KI) sowohl im Backend- als auch im Frontend eine immer grössere Rolle spielen. Stichworte hierzu sind z.B. Smart-Agents oder Chatbots, welche die Kundin oder den Kunden ermächtigen, Probleme selbstständig zu lösen. Dabei gilt es gerade für das Kerngeschäft der Liechtensteiner Banken, die Vermögensverwaltung, eine optimale Multikanalstrategie im Auge zu behalten. Ein Grundsatz bleibt auch in Zukunft bestehen: der Kunde entscheidet, wie und wo er mit seiner Bank in Kontakt treten will.

Informationsgap verschwindet
Ein weiterer Trend wird sein, dass die Kunden von Banken immer besser informiert sind. M.a.W. wird der Informationsgap zwischen Bank und ihren Kunden schmelzen wie Schnee in der Frühjahrssonne. In diesem Sinne wird beispielsweise Transparenz sowohl bei Gebühren als auch im ganzen Invest- mentprozess noch entscheidender werden. All dies bedeutet, dass eine noch stärkere Kundenorientierung erwartet wird. Die User Experience wird ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Bankinstituten werden. Ein weit stärkerer Einsatz der Blockchain-Technologie wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Und hier schliesst sich der Kreis zur Digitalisierung. Die Banken müssen ihre Kunden nicht bloss in Bezug auf Compliance-Anforderungen abklären, sondern auch deren Bedürfnisse oder Einstellungen besser kennen. Hierfür spielen Daten jeglicher Art eine zentrale Rolle. Der Kampf um die Kundenschnittstelle geht also in eine nächste Runde. Denn nur so können relevante Daten gesammelt werden.

Hohe Investitionen in Cybersicherheit
Datensammlungen sind aber ein sensibler Bereich. Insbesondere die westlichen Gesellschaften werden diesbezüglich immer kritischer und vorsichtiger. Erfolgreich wird derjenige sein, der den Kunden und Kundinnen einerseits den durch die Sammlung implizierten Mehrwert auch wirklich liefern kann. Andererseits werden die Banken enorme Anstrengungen unternehmen müssen, um die Sicherheit dieser Daten zu gewährleisten. Folglich dürfte die Cybersicherheit einer der am schnellsten wachsenden internen Bereiche werden. Dies erfordert hohe Investitionen, die nur grosse Banken alleine stemmen können. Kleinere Institute müssen verstärkt kooperative Lösungen suchen.

Begleitende Regulierung
Die Regulierung wird in Zukunft weiterhin eine sehr wichtige Rolle spielen. Doch sie dürfte nicht bloss auf eine absolut notwendige Kontrolle der Geschäftstätigkeit beispielsweise mittels Eigenmittelunterlegung oder hohen Compliance-Anforderungen ausgerichtet sein. Moderne Regulierungsbehörden müssen die digitale Transformation und den Einsatz von neuen Technologien proaktiv begleiten, Rechtssicherheit herstellen und gleichzeitig schauen, dass die Finanzwirtschaft stabil und sicher bleibt.

Nachhaltigkeit über allem
Last but not least wird Nachhaltigkeit das alles dominierende Geschäftsfeld werden. Immer mehr Anleger und Anlegerinnen möchten ihr Geld in Unternehmen und Projekte investieren, die ökologische und soziale Nachhaltigkeit fördern. Dies wird zu einem verstärkten Angebot an solchen Finanzprodukten führen. Dank einer durch die Digitalisierung verbesserten Klassifizierung werden sich die Spreu vom Weizen trennen und Greenwasher aus dem Markt gedrängt.

Insgesamt wird die Finanzwirtschaft in Zukunft also weiterhin von schnellen Veränderungen und Innovationen geprägt sein. Unternehmen, die agil bleiben, sich anpassen und auf die Bedürfnisse ihrer Kunden und Investorinnen eingehen, werden am erfolgreichsten sein.

Dr. Hans-Werner Gassner
Präsident Liechtensteinischer Bankenverband